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So erzeugen wir Milch in Baden-Württemberg

In den Ställen und auf den Weiden erkennt man auf den ersten Blick verschiedene Rinderrassen. Abgesehen von den Rassen gibt es bei der Haltung von Rindern, speziell bei Milchkühen in Baden-Württemberg ganz unterschiedliche Systeme in Bezug auf Fütterung, Stallbau und Melktechnik. Der Agrarwissenschaftler Dr. Lukas Kiefer* erklärt im Gespräch mit LOB-BW, auf was es bei der Milcherzeugung in Baden-Württtemberg ankommt. 

Kiefer Portrait (verkleinert)

"Die Milcherzeugung in BW ist insgesamt sehr vielfältig. Es gibt Standorte mit eher intensiver wirtschaftenden Betrieben, zum Beispiel in Hohenlohe und am mittleren Neckar. Dort trifft man häufig Milchkühe der Rassen Holstein Kühe oder Fleckvieh. Holstein Kühe sind die typischen schwarz-weißen Kühe, die eine hohe Milchleistung haben. Auch die braun-weißen Fleckvieh-Kühe geben ordentlich Milch. Etwas seltener sieht man auf guten, fruchtbaren Standorten noch das Braunvieh.

Braunvieh wird allerdings auch auf extensiveren Standorten gehalten, weil es als robust gilt. In den höheren und steileren Lagen wie beispielsweise im Schwarzwald treffen wir häufig das Vorderwälder-Rind und auch die Hinterwälder-Rinder an. Diese Rassen geben weniger Milch, sind dafür aber leichter und verursachen auf den steilen und nassen Weiden weniger Trittschäden.


Einige Landwirte in Baden-Württemberg experimentieren in der Züchtung und kreuzen auch die leichtere Rasse Jersey-Kuh ein. Lukas Kiefer erklärt, warum...



Kuh (verkl.)

In der Milchviehhaltung ist es in den allermeisten Haltungssystemen üblich, dass die Kälber früh von den Müttern getrennt werden. Denn die Milch soll ja verkauft werden. Bis zu welchem Alter die Kälber frische Kuhmilch bekommen, ist von Hof zu Hof verschieden“.


Milchkühe und Mutterkühe

Nicht alle Rinderrassen geben gleich viel Milch. Manche Rinderrassen wie beispielsweise die schwarzen Angus-Rinder oder die zotteligen schottischen Highland-Rinder werden nicht für die Milcherzeugung gezüchtet, sondern haben einen guten Fleischansatz und werden zum Zweck der Fleischerzeugung gehalten. Sie lassen sich auch nicht so gerne melken und werden deshalb in Form der „Mutterkuhhaltung“ gehalten. Die Kälber bleiben dort bei ihren Müttern – oder Ammen – bis sie als Jungrind schlachtreif sind. Oftmals ist diese Form der Rinderhaltung verbunden mit dem Ziel der Landschaftspflege und Offenhaltung der Kulturlandschaft. Schwer zugängliche Grünflächen können so vor der Verbuschung und Verwaldung geschützt werden.

 

Stall oder Weide?

Die Weidehaltung hat im Schwarzwald eine lange Tradition, was auf die geographischen und klimatischen Gegebenheiten zurückzuführen ist.  Einerseits gibt es viele Steillagen, die man maschinell gar nicht mähen könnte, andererseits haben wir im Schwarzwald hohe Niederschlagsmengen, die für die Weide wichtig sind. 

 



Ein wichtiger Vorteil der Weidehaltung sind die niedrigen Produktionskosten. Weide ist das günstigste Futtermittel im Vergleich zur aufwändigen maschinellen Ernte mit teuren landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass die Milchleistung der Kühe bei reiner Weidehaltung in der Regel deutlich geringer ist als bei Stallhaltung mit entsprechender Zufütterung.

Die Ursachen dafür, warum es in besseren Lagen kaum mehr Weidehaltung gibt, sind vielfältig. Weidehaltung bringt nicht den gleichen Ertrag pro Fläche wie eine Schnittnutzung oder Ackerbau. Wenn die Böden fruchtbar und befahrbar sind, entscheiden sich die Landwirte meist für eine ackerbauliche Nutzung.

Bei der Fütterung in der Rinderhaltung unterscheidet man danach, ob die Kühe ganzjährig Silage oder im Sommer auch frisches Gras oder Kleegras bekommen. Fütterung und Haltungssystem der Milchkühe sind in der landwirtschaftlichen Praxis eng aufeinander abgestimmt.

In den letzten Jahren findet man in den Kühlregalen des Lebensmittelhandels immer mehr Milch, die als „Heumilch“ gekennzeichnet ist.

Lukas Kiefer erklärt, was es damit auf sich hat. 

 



Die Vorteile der Heumilch sind, dass aus Sicht vieler Landwirte die Tiergesundheit etwas besser ist. Dies ist aber wissenschaftlich nicht belegt, so Kiefer. Die Heumilcherzeugung bringt insbesondere dann Vorteile, wenn Landwirte in kleinen Molkereien ihre Produkte selbst erzeugen und direkt vermarkten“.

 

Beim Melken kommt es auf die Technik an

Auch bei der Melktechnik gibt es verschiedene Systeme. Das hängt unter anderem von den baulichen Gegebenheiten und von der Größe des Tierbestandes ab. Dr. Kiefer erläutert die verschiedenen Systeme, die man auf den Milcherzeugungsbetrieben antrifft. 

 



Schafsmilch und Ziegenmilcherzeugung in Baden-Württemberg 

Die Erzeugung von Milch und Milchprodukten von Ziegen und Schafen spielt in Baden-Württemberg keine große Rolle. Es gibt nur 12 Betriebe in Baden-Württemberg, die Schafsmilch erzeugen und ca. 45 Ziegenmilcherzeuger. In den letzten Jahren entwickeln sich jedoch die Zahlen der Betriebe, die Schafs- und Ziegenkäse produzieren, nach oben. Dabei sind auch nicht selten Quereinsteiger in die Landwirtschaft anzutreffen. Wir haben einen Hof am Bodensee besucht, der Schafskäse erzeugt und auch LOB-Besuche anbietet. Siehe Betriebsportrait Familie Lippner.

 

*Dr. Lukas Kiefer arbeitet an der Universität Hohenheim im Institut Landwirtschaftliche Betriebslehre und beschäftig sich in einem Forschungsprojekt mit dem Thema nachhaltige Grünlandnutzung in Baden-Württemberg.

 

WEITERE INFORMATIONEN:

Weitere Informationen in Form von Texten und Videos sowie Arbeitsblätter zur Produktionstechnik, zu Fragen der Vermarktung, des Milchpreises, zu den Betriebsgrößen, etc. finden Sie in der Rubrik

 

Faktenblätter zum Download:

 

BETRIEBSPROTRAITS:

Betriebsportrait Hofgut Rengoldshausen

Betriebsportrait Fam. Lippner